Eine Krippe auf dem Schreibtisch… Ist das nicht auch ein Aspekt des Weihnachtsfestes? Dass es „unpassend“ daherkommt, zur Unzeit und an ungeeignetem Ort, eher improvisiert?
Liebe Schwestern und Brüder,
vor mir auf dem Schreibtisch, inmitten von Dokumenten und Notizen, zwischen Laptop, Stifte-Becher und Telefon steht eine schlichte Weihnachtskrippe aus Keramik. Streng genommen ist es keine vollständige Krippe. Es ist ‚nur‘ die heilige Familie. Sie sieht aus wie aus einem Guss, eine geschlossene harmonische Einheit. Ein wenig deplatziert wirkt sie da zwischen all den Papieren und Arbeitsutensilien.
So kurz vor dem zweiten „Corona-Weihnachten“ ist mir nicht wirklich feierlich zumute: Eine pandemiegeplagte Menschheit, der bedrohte Weltfrieden, die sich zuspitzende Klimakrise, eine gespaltene Gesellschaft, eine krisengeschüttelte Kirche, fragiler werdende Ordensgemeinschaften… Scheinbar nur Probleme, Krisen und Sorgen. Manchmal sage ich auch „Herausforderungen“ dazu; das klingt dann nicht so schlimm, macht’s aber nicht wirklich besser.
Einer Intuition folgend habe ich nun also die kleine Keramikkrippe auf meinen Schreibtisch gestellt. Mitten in die Arbeit, in die Probleme, in die „Herausforderungen“ ein Stück Ruhe, Ganzheit und Heil. Keineswegs harmonisch. Aber doch ein trost- und hoffnungsstiftender Kontrapunkt in einer eher beunruhigenden Umgebung.
Ich werde nachdenklich: Ist das nicht auch ein Aspekt des Weihnachtsfestes? Dass es „unpassend“ daherkommt, zur Unzeit und an ungeeignetem Ort, eher improvisiert? Und dass es gerade deshalb etwas Glanzvolles, Schönes und Hoffnungsfrohes hat? Eben weil es da so menschelt? Weil es „Ja“ sagt zu allem, was nicht vollkommen ist und doch leben will?
Mir fiel ein Text von Susanne Niemeyer in die Hände, der dieses mutig frohe „Dennoch“ des Weihnachtsfestes, das Dennoch der Menschwerdung, viel besser ausdrückt, als ich es kann:
Liebes Weihnachtsfest, wir waren nie heil. Die Welt lag im Krieg, ich hatte Liebeskummer. Du kamst trotzdem. Oma starb, Papa starb, du kamst trotzdem. Die Wohnung war nicht fertig, die Kisten waren notdürftig mit Lichterketten geschmückt, du kamst trotzdem. Ich verweigerte mich, ich fand, wir zwei bräuchten mal eine Pause, und du kamst auch dieses Mal trotzdem. All die Jahre hatte ich den Traum, am Heiligen Abend mit allem fertig zu sein. Aber dann blieben die Fenster doch wieder ungeputzt, die Briefe halb geschrieben, ich war nicht beim Friseur. Die Kekse habe ich auf die Schnelle in den Ofen geschoben, und sie kamen irgendwie schiefer als im Kochbuch abgebildet wieder heraus. Die Gedichte blieben ungelesen, das Weihnachtsoratorium habe ich nur beim Abwaschen gehört. Du kamst trotzdem. Das mag ich an dir. Du setzt meiner Welt deinen Glanz entgegen. Du gehst an Orte, an die ich mich nicht wage. Lass uns das feiern!
Im Namen des INFAG-Vorstands, unserer Geschäftsführerin Sr. Christina sowie unseren Mitarbeiterinnen Doris Grümpel und Inge Scheller wünsche ich Euch ein gesegnetes und hoffnungsvolles Fest der Menschwerdung und weihnachtliche Dennoch-Erfahrungen auch im kommenden Jahr!
Br. Markus Fuhrmann
(Kommissarischer INFAG-Vorsitzender)