Franz von Assisi
(1193/94–1225)
Franziskus (Giovanni Battista Bernardone) wird um 1181/1182 in der umbrischen Stadt Assisi in Mittel-Italien geboren. Seine Mutter Pica lässt ihn auf den Namen „Giovanni“ (= Johannes) taufen. Sein Vater Pietro di Bernardone gibt ihm nach der Rückkehr von einer Geschäftsreise in Frankreich jedoch den Rufnamen „Francesco“ (= kleiner Franzose).
Leben, als ob es Christus nicht gäbe
Seine Familie gehört zum Stand des neureichen Bürgertums und hat es durch Tuchhandel zu einigem Wohlstand gebracht. In der Schule der Pfarrei San Giorgio lernt Franziskus Lesen, Schreiben, Rechnen und etwas Latein.
Bei seinen Altersgenossen ist Franziskus recht beliebt, nicht zuletzt auf Grund seiner Freigiebigkeit. In seiner Jugendzeit ist er daher oft der Mittelpunkt der ausschweifenden Feiern der Jugend der Stadt. In seinem Testament beschreibt Franziskus in der Rückschau diese Zeit mit „cum essem in peccatis“ = „Ich lebte, als ob es Christus nicht gäbe.“
Seine Heimatstadt Assisi mit ca. 2000 Einwohnern wird in die Konflikte zwischen Kaiser und Papst hineingezogen. Zudem gibt es soziale Spannungen zwischen der reichen Oberschicht und der armen Unterschicht. Im Jahr 1197/98 kommt es zum Aufstand der „Minores“ gegen die „Maiores“. Die Adligen flüchten in die Nachbarstadt Perugia. In der Schlacht von Collestrada im November 1202 unterliegen die Bürger Assisis den Adligen und ihren Truppen. Franziskus gerät in Gefangenschaft und wird für mehr als 1 Jahr in Perugia eingekerkert. Erst durch eine Lösegeldzahlung seines Vaters kommt er wieder frei. Vermutlich hat sich Franziskus durch die schlechten Haftbedingungen hier mit dem Malariavirus infiziert, dessen gesundheitliche Folgen ihn sein Leben lang beeinträchtigen sollten.
Suchbewegung I:
Begegnungen zwischen Oben und Unten
„Was mir einst bitter vorkam, wurde mir in Süßigkeit
des Leibes und der Seele verwandelt.“
Zunächst scheint sein Leben (im väterlichen Geschäft) im gewohnten Stil weiter zu gehen. Doch Franziskus zieht sich immer häufiger in einsame Höhlen zurück, die ihn an seine Zeit in der Kerkerhaft erinnert haben mögen. Dies ist der Beginn eines mehrjährigen Bekehrungsweges und langen Suchprozesses. Franziskus sondert sich mehr und mehr von seinen Freunden ab, durchstreift die umliegenden Wälder und fragt nach seinem Weg.
Dennoch schlägt zunächst das Alte wieder durch: Sein Traum, Ritter zu werden. Im Jahr 1205 macht sich Franziskus mit Pferd und Schwert auf nach Apulien, um sich einem Kriegszug Walter von Brienne´s anzuschließen, der für den Papst die Herrschaft gegen die Staufer zurückgewinnen will. Thomas von Celano berichtet in seiner zweiten Franziskus-Biographie, dass Franziskus im Traum gefragt wird: „Wer kann dir Besseres geben? Der Herr oder der Knecht“ Franz antwortet: „Der Herr!“ Darauf die Stimme: „Warum dienst du dem Knecht statt dem Herrn?“ Franz: „Was willst du Herr, das ich tun soll?“ Der Herr: „Kehre zurück in deine Heimat, denn ich will dein Gesicht in geistlicher Weise erfüllen.“
Franziskus unternimmt (1205 oder 1206) eine Wallfahrt nach Rom, bei der er mit einem Bettler die Kleidung tauscht und ein erstes Mal – quasi auf Probe – die Armut lebt. Sein Reisegeld wirft er ins Petrusgrab hinunter und kehrt als „Armer“ nach Assisi zurück.
Vor den Toren der Stadt kommt es zur entscheidenden Begegnung mit einem Aussätzigen. Die Dreigefährtenlegende erzählt: „Während er sonst gewohnt war, vor Aussätzigen großen Abscheu zu haben, tat er sich jetzt Gewalt an, stieg vom Pferd, reichte dem Aussätzigen ein Geldstück und küsste ihm die Hand. Dann empfing er von dem Aussätzigen den Friedensgruß.“
Immer wieder begibt sich Franziskus dann ins Leprosenhaus, um die Aussätzigen zu pflegen. „Nach den Besuchen bei den Aussätzigen war er ein anderer Mensch geworden“, erzählt die Legende (3 Gef 12).
In seinem Testament schreibt er über diese Schlüsselerfahrung: „Ich lebte zwanzig Jahre lang, als ob es Christus nicht gäbe. Damals schien es mir widerlich und bitter, Aussätzige zu sehen. Doch Gott selber hat mich zu ihnen geführt, und in der Begegnung mit ihnen ist meine Liebe erwacht. Da verwandelte sich in tiefstes Glück (Süßigkeit) für Leib und Seele, was mir bisher bitter erschien. Kurze Zeit nur, und ich verließ die bürgerliche Welt“ (Test 1-3).
Im selben Jahr kommt es zu einem weiteren entscheidenden Erlebnis. Franziskus befindet sich in der verfallenen Kapelle von San Damiano. Dort wird er des Öfteren jenes Gebet gesprochen haben, dass sich in der Zeit der dunklen Höhlen, die seinen inneren Zustand widerspiegeln, in ihm geformt hat: „Höchster, lichtvoller Gott, erleuchte die Finsternis meines Herzens! Gib mir einen Glauben, der weiterführt, eine Hoffnung, die durch alles trägt, und eine Liebe, die niemanden ausschließt...“ (GebKr).
Von der Kreuzikone, die dort hängt, fühlt er sich persönlich angesprochen. „Franziskus, geh und baue mein Haus wieder auf, das, wie du siehst, ganz und gar in Verfall gerät.“ (nach II Cel 10,4). Franziskus interpretiert die Stimme als Stimme Christi und nimmt diesen Auftrag zunächst wortwörtlich. Er bettelt Baumaterial zusammen und beginnt eigenhändig, die kleine Kapelle wieder aufzubauen. Ebenso tut er es mit der heute nicht mehr vorhandenen Kapelle San Pietro della Spina sowie in Santa Maria degli Angeli, das unter dem Namen „Portiuncula“ später zur „Wiege“ und zum Zentrum der Ordensgemeinschaft werden wird. Auffällig ist hier wie an anderen Stellen, dass Franziskus sich direkt auf den „Allerhöchsten“ beruft, ohne die institutionelle Kirche in Anspruch zu nehmen.
Da sein Vater das Verhalten seines Sohnes missbilligt und keine andere Lösung sieht, strengt er einen Prozess gegen seinen Sohn an. Im Frühjahr 1206 kommt es vor dem Bischof zur öffentlichen Verhandlung auf dem Domplatz. Als Zeichen des Verzichtes auf sein Erbe entkleidet sich Franziskus völlig und sagt sich auf diese Weise von seinem Vater los. „Bis heute habe ich dich meinen Vater genannt auf dieser Erde; von nun an will ich sagen: »Vater, der du bist im Himmel«“ (3 Gef 20).
Für Franziskus vollzieht sich parallel zu seinem gesellschaftlichem Standortwechsel ein religiös-spiritueller Wandel seines Gottesbildes: Der erhöhte über allem thronende Gott der Romanik verweist in Christus auf die Armen und Ausgegrenzten. Die Armut und Demut Gottes (Inkarnation und Kenosis) werden zu zentralen Erfahrungen und Sichtweisen von Franziskus.
Suchbewegung II:
Begegnungen zwischen Auszug und Rückzug
„Unser Kloster ist die Welt.“
Die nächsten zwei Jahre lebt Franziskus zunächst als Einsiedler außerhalb der Stadtmauern. Nur zum Erbetteln seines Essens begibt er sich in die Stadt.
Im Frühling 1208 ereignet sich der zweite und entscheidende Durchbruch: Am Festtag des Apostels Matthias hört Franziskus das Evangelium von der Apostelaussendung (Mt 10,5-14) und erfährt sich erneut persönlich angesprochen. Er jubelt: „Das ist es, was ich suchte; das will ich von Herzen tun“. Ab jetzt will er das Wanderleben Jesu und der Apostel führen. Ausgehend von diesen Bibelworten kleidet sich Franziskus von nun an in eine einfache Kutte, die nur mit einem Strick gehalten wird, lehnt Besitz und den Kontakt mit Geld strikt ab und geht nach Möglichkeit barfuss. Er versteht sich als „Büßer“, der die Mitmenschen ermahnt, Gott zu lieben und für ihre Sünden Buße zu tun.
Obwohl er häufig Spott und Hohn bei den Leuten erfährt, schließen sich ihm die ersten Brüder an: Bernardo di Quintavalle, ein reicher Adeliger aus Assisi, und Pietro Catanii, ein Rechtsgelehrter. Laut Dreigefährtenlegende befragen die drei die Bibel durch dreimaliges Aufschlagen nach dem Auftrag, den Gott für sie habe (sogenanntes Bibelstechen). Als Lebensprogramm finden sie die drei Bibelstellen: „Wenn du vollkommen sein willst, geh, verkauf deinen Besitz und gib das Geld den Armen; so wirst du einen bleibenden Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach“ (Mt 19,21). „Nehmt nichts mit auf den Weg, keinen Wanderstab und keine Vorratstasche, kein Brot, kein Geld und kein zweites Hemd“ (Lk 9,3). „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach.“ (Lk 9,23).
Auch hier ist es nicht die Kirche, die Franziskus den Weg weist, sondern Gott selbst: „Und nachdem mir der Herr Brüder gegeben hat, zeigte mir niemand, was ich zu tun hätte, sondern der Höchste selbst hat mir geoffenbart, dass ich nach der Vorschrift des heiligen Evangeliums leben sollte“, notiert Franziskus in sein Testament (Test 14,8).
Als Aufenthaltsort dient zunächst eine Hütte in Rivotorto, dann das Kirchlein Portiuncula, das ihnen der Abt der Benediktinerabtei am Monte Subasio zur Verfügung stellt. Die Zahl der Brüder mehrt sich und bereits 1209 macht sich Franziskus mit 12 von ihnen nach Rom auf, um sich seine Lebensweise vom Papst bestätigen zu lassen. Die Urregel besteht vermutlich nur aus einigen Evangelienzitaten. Trotz einiger Bedenken erhält Franziskus vom Papst eine mündliche Bestätigung, als Büßer und in Armut zu leben.
Am Palmsonntag des Jahres 1212 nimmt Franziskus Klara in seine Gemeinschaft auf. [vgl. Biographie zu Klara]
Die Brüder werden zunächst jeweils zu zweit losgeschickt, den Leuten Buße zu predigen und mit den Menschen in Einfachheit zu leben. Feste Niederlassungen gab es nicht. Regelmäßig treffen sich die Brüder zu Pfingsten in Portiuncula zu so genannten „Mattenkapiteln“, berichten einander von ihren Erfahrungen und werden zu neuen Missionen ausgesandt. Da die Zahl der Brüder stetig steigt, wandern sie weit über Italien hinaus und fassen zwischen 1215 und 1217 außerhalb Italiens Fuß. Das erste Kloster nördlich der Alpen entsteht in Altdorf in der Schweiz. Frühe Chroniken berichten über die Ausbreitung nach Deutschland und England. Immer wieder wird es für Franziskus zur Frage werden, ob er sich in die Einsamkeit der Einsiedeleien zurückziehen oder aber ein Leben als Wanderprediger führen soll. Bei einer Befragung (vermutlich im Jahr 1222) sprechen sich sowohl Schwester Klara als auch Bruder Sylvester für die aktive Weise des Wanderlebens aus.
Suchbewegung III:
Begegnungen zwischen Fremden Welten
„Um Gottes Willen jeder
menschlichen Kreatur dienstbar sein.“
Bereits 1212 hatte Franziskus versucht, ins hl. Land zu gelangen. Das Schiff, das er in Venedig besteigt, wird jedoch an die Küste des heutigen Kroatien geschleudert und er kehrt nach Italien zurück. Im Jahr darauf unternimmt er einen neuen Versuch, nun zu Fuß über Spanien nach Marokko zu gelangen. In Santiago de Compostela muss er jedoch wegen Krankheit umkehren. 1219 ergibt sich die Gelegenheit, im Rahmen des 5. Kreuzzuges nach Damiette in Ägypten zu gelangen. Gegen den Willen des päpstlichen Delegaten begibt er sich gemeinsam mit Br. Illuminatus zum Sultan Malik al-Kamil und führt ausgiebige Gespräche mit ihm. Zwar gelingt es ihm nicht, den Sultan zum christlichen Glauben zu überzeugen, jedoch sind offensichtlich beide tief beeindruckt voneinander und führen – mit heutigen Worten gesprochen – einen Interreligiösen Dialog, statt sich mit Waffen zu bekämpfen. In der Folge schreibt Franziskus einen Brief an die Lenker der Völker, in dem er nach dem Vorbild der Muslime die Einrichtung von Gebetsaufrufern und ein gemeinsames Gebet des ganzen Volkes zu einer bestimmten Zeit fordert. Darauf erwächst in der Westkirche in kurzer Zeit das dreifache Angelus-Gebet.
Der Gesundheitszustand von Franziskus verschlechtert sich seit dieser Reise zunehmend. Vermutlich hatte er sich im Orient eine Augeninfektion zugezogen.
Als weiteres Problem erweist sich die sprunghaft ansteigende Zahl der Brüder, die zu massiven innerordentlichen Spannungen führt. Offensichtlich sind nicht alle Brüder bereit, die radikale Lebensweise von Franziskus in völliger Besitzlosigkeit zu teilen. 1220 gibt Franziskus die Leitung des Ordens an Petrus Catani ab, bleibt aber entscheidende Autorität für die Brüder. 1221 entsteht die so genannte „nichtbullierte Regel“, die in typischer Manier von Franziskus sehr biblisch-spirituell gehalten ist. Von vielen Brüdern wird sie daher für unpraktikabel gehalten. Auf Anweisung der römischen Kurie verfasst Franziskus 1223 in der Einsiedelei Fonte Colombo eine dritte franziskanischen Ordensregel. Diese Regel wird auf dem Pfingstkapitel der Brüder im Juni 1223 besprochen und dem Papst vorgelegt. Honorius III. genehmigt die so genannte „bullierte Regel“ am 29. November desselben Jahres.
Zu Weihnachten 1223 feiert Franziskus mit einigen Brüdern in der Einsiedelei von Greccio das Fest so, dass er das Geschehen lebendig darstellen lässt. Daraus entsteht der Brauch der Weihnachtskrippe.
Suchbewegung IV:
Begegnung mit Bruder Tod
„Gelobt seist du, mein Herr,
durch unseren Bruder, den leiblichen Tod.“
Im Spätsommer des Jahres 1224 zieht sich Franziskus auf den Berg La Verna zurück, wo er seit 1212 eine kleine Felsnische als Einsiedelei benutzte. Nach Aussage der Biographen wurden bei ihm Wundmale sichtbar, die die ältesten Quellen als Einprägung der Wundmale Christi deuten. Es ist dies der erste überlieferte Fall einer Stigmatisation. Als Tag dieses Ereignisses wird in den Biographien der 17. September 1224 angegeben, drei Tage nach dem Fest der Kreuzerhöhung.
Da sich seine Augenerkrankung stetig verschlimmert, sucht er einen Augenarzt in Siena auf. Das äußerst schmerzhafte Ausbrennen der Schläfen bringt jedoch keinerlei Linderung, geschweige denn Heilung. Franziskus diktiert daher in Siena ein kurzes Testament.
Im Herbst 1226 kehrt Franziskus schwer krank in seine Heimatstadt zurück. Zunächst wohnte er im Palast des Bischofs. Zwei Tage vor seinem Tod lässt er sich „eilends“ aus der Stadt heraus zur Portiuncula-Kirche tragen, um dort zu sterben. Als Meister der Inszenierung und der Rituale begeht er auch sein Sterben im Kreis der Brüder. Die Legende berichtet, er habe sich gewünscht, nackt auf die Erde gelegt zu werden, um seine Treue zur „Herrin Armut“ zu verdeutlichen. Er sei danach mit einem von einem Bruder geliehenen Gewand bekleidet worden. Auf seinen Wunsch hin sei der von ihm gedichtete Sonnengesang gesungen worden. Dann habe er sich das Evangelium von Jesu Leiden und Sterben vorlesen lassen. Bei seinem Tod schließlich sollen der Legende nach Lerchen zu einer für sie ungewöhnlichen Tageszeit aufgeflogen sein.
Am Vorabend des 4. Oktober 1226 verstirbt Franziskus im Alter von 44 Jahren.
Bereits am 16. Juli 1228 wird er von Papst Gregor IX. heilig gesprochen. Seine Gebeine ruhen seit 1230 in einem Steinsarg in der Grabkammer der Unterkirche der Basilika San Francesco in Assisi.
Von Franziskus sind 29 selbst verfasste bzw. diktierte Schriften erhalten.
Br. Stefan Federbusch ofm
Mehr zu Franziskus findet sich unter:
www.de.wikipedia.org/wiki/Franz_von_Assisi
www.heiligenlexikon.de/BiographienF/Franziskus_von_Assisi.htm
www.franziskaner.de
Ein Artikel zu Franziskanischer Spritualität findet sich auf dieser Homepage unter:
www.infag.de/seiten/doku.php/spiritualitaet_franziskanische_spiritualitaet
Die Schriften von Franziskus finden sich unter:
www.franziskaner.de
Ein kurzes Lebensbild von Markus Schüppen:
Download (pdf)
Darin eingebettet ein kurzes Video-Portrait von Franziskus (7:50 min) unter:
www.katholisch.de