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Angeklagt, verurteilt, ausgezeichnet – Schwester Juliana Seelmann von den Oberzeller Franziskanerinnen hat am 10. Oktober 2021 in einer berührenden Feierstunde den Würzburger Friedenspreis 2021 erhalten.

 

Im Juni war sie vom Würzburger Amtsgericht wegen "Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt" schuldig gesprochen worden, weil sie zwei Frauen Kirchenasyl gewährte. Das Friedenspreis-Komitee ehrte die Ordensfrau nun im Burkardushaus für ihr „langjähriges, hartnäckiges und beispielhaftes Engagement für geflüchtete Menschen“. Das Preisgeld von 3000 Euro möchte Sr. Juliana der Arbeit in der Migrantenmedizin zur Verfügung stellen, da gäbe es Vieles, was nicht bezahlt werde.

Sr. Juliana ist in der Gemeinschaftsunterkunft Würzburg als Krankenschwester tätig. Sie arbeitet seit 2008 im »Würzburger Modell« mit. Dieses Modell ermöglicht es einem Team unter der Leitung von Prof. Dr. August Stich, Chefarzt der Tropenmedizin des Klinikums Würzburg Mitte, Asylbewerber*innen medizinisch zu versorgen. Sr. Juliana und ihre Kolleg*innen sind an fünf Tagen pro Woche im Einsatz, "sie erfahren dabei mehr, als viele von uns ertragen können", betonte der Chefarzt bei der Preisverleihung. Er sei manchmal als Arzt bei den Sprechstunden in der Gemeinschaftsunterkunft im Einsatz und es sei jedes Mal ein Blick in den Abgrund. "Mir reicht es schon nach einer Stunde, ich habe mich weit aus meiner Komfortzone herausbewegt und will eigentlich nur noch weg. Für Schwester Juliana und das gesamte Team ist das die Arbeit eines jeden Tages", so Stich. Es sei ein Glücksfall, dass er von ihr lernen dürfe, erzählte der Chefarzt weiter – von der Professionalität, der Fürsorge und Verlässlichkeit, aber auch von der Bescheidenheit von Sr. Juliana. Für ihn habe vor Gericht nicht die Ordensfrau gestanden, sondern die Frage, „wie weit man mit seinem Gewissen und seiner Fürsorge gehen kann, wenn Menschen wirklich in Not sind, wenn man durch seinen ganz persönlichen Einsatz Rettung bewirken kann". Gegen das Urteil haben sowohl Sr. Juliana und ihr Anwalt als auch die Staatsanwaltschaft Rechtsmittel eingelegt, einen Termin für den Berufungsprozess gibt es noch nicht.

Rückendeckung erfuhr die Preisträgerin auch von Würzburgs Oberbürgermeister Christian Schuchardt. Er  bezeichnete ihren selbstlosen Einsatz als exemplarisch und forderte sie auf: "Bitte machen sie weiter und hören sie nicht auf, ihren christlichen Glauben und ihre Nächstenliebe zu leben".

Sr. Juliana erzählte bei der Preisverleihung, dass sie durch Zufall zum „Würzburger Modell“ kam. Von einer Kollegin angeworben, kam sie für ein Praktikum und spürte, dass sie diesen Ort „nicht mehr verlassen kann und will“. Um ihre Arbeit zu veranschaulichen schilderte sie drei ganz persönliche Fluchtgeschichten. Die Menschen der Gemeinschaftsunterkunft werden in allen Belangen medizinisch versorgt, das reicht von einfachen Erkältungen über Schwangerschaftsberatungen bis hin zu lebensbedrohlichen Erkrankungen. Oft kämen die Geflüchteten aber auch ins Sprechzimmer, weil sie einfach reden wollten, sich Begegnung wünschten, beschrieb Sr. Juliana ihren Arbeitsalltag. Dazu gehöre auch ein Mensch, zu dem sie Vertrauen fassen könnten, der sie nicht verurteile oder nach ihrem rechtlichen Status bewerte. „Ich bin da, ich gehe ein Stück mit dir, ich halte mit dir aus.“ Sr. Juliana ging auch auf das Kirchenasyl ein, betonte, dass sie es in Einzelfällen für dringend notwendig halte, um Menschen vor Gewalt und vor menschenunwürdigen Lebensbedingungen zu schützen. Der Würzburger Friedenspreis sei daher eine Auszeichnung für das ganze medizinische Team und für die Oberzeller Franziskanerinnen. "Als Einzelne könnte ich das nicht leisten, es geht nur in der Gemeinschaft.“

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