„There's a crack, a crack in everything. That's how the light gets in…“ - Österliche Gedanken vom Kommissarischen INFAG-Vorsitzenden Bruder Markus Fuhrmann
Liebe Schwestern und Brüder,
plötzlich bemerkte ich ihn: Da war ein feiner Riss in meinem Tucum-Ring… Bestimmt kennt Ihr diese schwarzen Ringe. Die Tucum-Palme wächst in den Dornsteppen und tropischen Regenwäldern im Nordosten Brasiliens. Aus der harten Schale, die den Samenkern umgibt, wurden bereits von den Indigenen Ringe hergestellt. Der Tucum-Ring wird im Portugiesischen „aliança“, d.h. „Bund“ genannt. Menschen in Lateinamerika und in der ganzen Welt tragen ihn als Zeichen der Solidarität mit den Armen. Der Ring gilt auch als Zeichen für die Bundeszusage Gottes, der mit den Armen unterwegs ist und sagt: "Ich bin der, der mit euch ist!"
Jetzt also dieser Riss in meinem Tucum-Ring… Ärgerlich! Nun wird er bald ganz entzweigehen, dachte ich. Gott sei Dank habe ich immer ein, zwei Ringe in Reserve. Fast schon hätte ich den defekten Ring ausgetauscht; doch da zögerte ich und wurde nachdenklich. Was hat dieser Ring nicht alles mit mir erlebt! Tag und Nacht habe ich ihn getragen. Bei Gesprächen und Begegnungen, beim Gebet, bei der Arbeit und beim Schlafen, beim Abwaschen und Putzen, beim Schwimmen und Spazierengehen. Auch in schwierigen Momenten war er dabei, wenn ich nicht mehr weiterwusste, enttäuscht war oder traurig… Dann erinnerte er mich daran, dass Gott treu ist und mich nicht im Stich lassen wird. Wie kann ich diesen Ring nun einfach austauschen - nur, weil er einen Riss hat?
„There's a crack, a crack in everything. That's how the light gets in…“, singt Leonard Cohen in seinem berühmten Song aus dem Jahr 1992. „Da ist ein Riss, ein Riss in allem. Damit das Licht dort reinkommt…“ – Womöglich sind es gerade die Risse in meinem Leben gewesen, in meiner Geschichte oder in meinen Beziehungen, die etwas haben klarwerden lassen, die mich wachgerüttelt und mich im besten Fall haben wachsen lassen. Aus einem Verlust, einem Scheitern oder einer Schulderfahrung wurde die Chance zu einem Perspektivwechsel, einem neuen Anfang. Erst kürzlich habe ich so etwas erlebt. Und ich bin dankbar dafür.
„Da ist ein Riss, ein Riss in allem. Damit das Licht dort reinkommt…“ – Vielleicht war ja der Kreuzestod Jesu auch so ein lichtvoller Riss. Das Kreuz, eigentlich Ausdruck von Leiden, Schande, Scheitern und Tod wird zum Hoffnungszeichen für neues Leben, für Befreiung und Auferstehung. Maria von Magdala und nach ihr auch die anderen Jünger konnten den Tod Jesu plötzlich mit österlichen Augen sehen und verstehen. Und schöpften so neue Hoffnung.
Nein, ich werde meinen gerissenen Tucum-Ring nicht so schnell auswechseln! Mit Riss ist er mir vielleicht sogar noch kostbarer geworden…
Im Namen des INFAG-Vorstands und unserer Mitarbeiterinnen in Würzburg wünsche ich Euch ein gesegnetes Osterfest – und einen österlich hoffnungsfrohen Blick auf die Risse im Leben!
Br. Markus Fuhrmann
Der Ostergruß zum Download (pdf)