Auf dem interfranziskanischen Mattenkapitel von Franziskaner-Minoriten, Franziskanern und Kapuzinern in Würzburg stand die Frage im Mittelpunkt: Wie wollen wir heute und in Zukunft das franziskanische Charisma in Deutschland leben?
Franziskanisches Feuer in Würzburg
Gemeinsames Treffen der Brüder des heiligen Franziskus in Deutschland
Vor 800 Jahren machten sich franziskanische Brüder von Italien über die Alpen auf nach Deutschland. Ein echter Aufbruch. Das franziskanische Feuer verbreitete sich rasch – und auch im Jahr 2021 orientieren sich noch viele Menschen an den Ideen und Idealen des Ordensgründers Franz von Assisi. Das franziskanische Leben in Deutschland ist vielseitig und immer noch lebendig.
Das besondere Jubiläum nahmen die drei franziskanischen Männerorden in Deutschland, Franziskaner, Minoriten und Kapuziner, zum Anlass, sich zu einem interfranziskanischen Mattenkapitel im Würzburger Minoritenkloster zu treffen. Es war die zweite gemeinsame Zusammenkunft nach der Premiere im Jahr 2017 in Hofheim. Gut 70 Ordensleute im Alter von 22 bis 85 Jahren tauschten sich vom 14. bis 16. Oktober 2021 über die Geschichte und aktuelle Herausforderungen ihrer Gemeinschaften aus.
Das „Mattenkapitel“ ist eine sehr alte Tradition, die auf die Anfänge der franziskanischen Bruderschaft und Franz von Assisi selbst zurückgeht. Immer zu Pfingsten reisten die Brüder nach Assisi. Da dort nicht genügend Platz war, schliefen sie auf Strohmatten – daher der Name.
In der Geschichte der drei Orden gab es viele Um- und Neuaufbrüche. Besonders die Zeit des Anfangs vor 800 Jahren nahmen die Brüder auf ihrem gemeinsamen Kapitel in den Blick. Bernd Schmies, Leiter der Fachstelle Franziskanische Forschung in Münster, berichtete über die ersten Jahre in Deutschland. „Das erste Kapitel fand Mitte Oktober 1221 in Augsburg statt.“ Dort stellten sich die Brüder dieselben Fragen wie die Ordensleute heute: Haben wir in Deutschland eine Zukunft? Findet unser franziskanisches Leben bei den Menschen Resonanz?
„Das sind Fragen, die herausfordern, heute wie im Mittelalter“, sagte Schmies. Der Wissenschaftler machte darauf aufmerksam, dass die Aufbrüche vor 800 Jahren vor dem Hintergrund des Wandels in Gesellschaft und Natur stattfanden – etwa der Urbanisierung und einem Klimawandel, schon damals. „Am Aufstieg der Städte hatten die Franziskaner einen wichtigen Anteil“, berichtete er. „Zum nachhaltigen Erfolg des Franziskanerordens in Deutschland haben also immer sowohl ordenseigene als auch ordensfremde Faktoren beigetragen.“
Im Fokus der Gespräche in Kleingruppen, im großen Plenum oder zwischendurch im Kreuzgang des Klosters stand die Frage: Wie können wir Franziskaner heute und in Zukunft unser franziskanisches Charisma leben? Die vielfältigen und anregenden Antworten diskutierten die Brüder auf dem Mattenkapitel engagiert, offen und ehrlich.
Für viele Minoriten, Franziskaner und Kapuziner steht fest: Das franziskanische Feuer muss in Arbeit und Gebet brennen – bei jedem individuell, aber auch in der Gemeinschaft. Leben und Wirken der Minderbrüder sollten von Einfachheit und Freude geprägt sein. „Die franziskanische Flamme brennt überall da, wo wir uns wie Franziskus fragen: Was willst Du Herr, was soll ich tun?“, formulierte es ein Teilnehmer. Um das franziskanische Charisma zu entfalten, ist die Begegnung mit Gott ebenso wichtig wie die Begegnung mit der Welt und den Menschen – offen, authentisch und achtsam.
„Wir als Franziskaner sollten auf unsere Spiritualität gucken“, empfahl der in Deutschland geborene Franziskaner-Bischof Johannes Bahlmann von Óbidos am Amazonas (Brasilien), der kurz auf dem Mattenkapitel vorbeischaute. Es gelte, auf das vorhandene Vertrauen in den Orden, das in Deutschland noch sehr hoch sei, aufzubauen und vertrauensvoll loszulegen. „Avanti“, zitierte er aus einem Gespräch mit Papst Franziskus. „Auf geht´s! Macht weiter!“
Am Ende der drei gemeinsamen Tage mit gemeinsamen Gesprächen, Geschichten und Gebeten waren Teilnehmer und Organisatoren sehr zufrieden.
V.l.n.r.: Br. Helmut Rakowski, stellvertretender Provinzial der Kapuziner, Br. Andreas Murk, Provinzialminister der Franziskaner-Minoriten und Br. Cornelius Bohl, Provinzial der Franziskaner (Foto: Tobias Rauser)
Br. Andreas Murk, Provinzialminister der Franziskaner-Minoriten, sagte: „Das interfranziskanische Mattenkapitel war sehr gelungen, die Chemie in den Begegnungen stimmte. Die Lebendigkeit und das offene Miteinander, das alles hat mich beeindruckt.“ Der Gastgeber des Mattenkapitels im Würzburger Minoritenkloster nimmt konkrete Ideen für eine weitere Zusammenarbeit mit, aber vor allem „die Inspiration des Aufbruchs der ersten Brüder von vor 800 Jahren, deren Lebendigkeit und Mut uns heute noch Vorbild sind.“
Auch Br. Cornelius Bohl, Provinzial der Franziskaner, zog ein positives Fazit. „Wenn wir Franziskaner uns gegenseitig bestärken, vor allem in der Freude an unserer Berufung, dann ist mir vor der Zukunft nicht bange.“ 800 Jahre franziskanisches Leben in Deutschland – für den Ordensmann ein Auftrag für die Zukunft. „Wir sollten uns an die Aufgaben machen, die heute dran sind. Legen wir los!“
Br. Helmut Rakowski macht die Geschichte der ersten Brüder in Deutschland Mut. „Franziskaner sehen die Welt mit den Augen Gottes und denken die Dinge vom Rand der Gesellschaft her. Das ist unser Charisma. Es wird in Zukunft immer Menschen geben, die das Ideal des heiligen Franz leben werden“, sagte der stellvertretende Provinzial der Kapuziner.
Tobias Rauser